Drei Schritte von einem Geschwisterkonflikt zum Miteinander

For English version, click here

Übersetzung aus dem Englischen:
Torsten Krell, tokrell (hier ein at) web (punkt) de


Meine beiden Kinder, 3 und 8 Jahre alt, haben viele Mini-Konflikte. Sie streiten auf dem Rücksitz vom Auto, weil einer „Ruhe haben“ will, während der andere singen oder vom Tag erzählen möchte. Sie streiten über die Sitzplätze am Abendbrotstisch (wer kriegt den besonderen Holzstuhl, wer darf neben welchem Elternteil sitzen). Sie streiten darüber, daß einer dem anderen zu nahe ist („Hör auf mich anzufassen!“) und über Spielzeuge und Buntstifte („Ich hatte das zuerst!“)

Über die Jahre habe ich verschiedene Kombinationen von Strategien ausprobiert, um mit diesen Streitereien umzugehen, eingeschlossen „sie es unter sich ausmachen lassen“, „ihnen effektive Kommunikationsfähigkeiten beibringen“ (ha!), „sie voneinander trennen“, „jedem von ihnen Empathie geben“, „mediieren“, „Schiedsrichter spielen“, „Problemlösen“ und „Bestrafen“.

Keine von diesen war so wirksam, erfolgreich und befriedigend für mich (oder für sie!) wie die unten beschriebene Methode, die ich frei aus Dominic Barters Restorative-Circles-Modell entwickelt (und liebevoll „micro-circles“ genannt) habe.

Was ich an der micro-circle Methode mag, ist:

(a) sie ist schnell und unmittelbar (normalerweise 6-10 Minuten)
(b) sie erfordert nicht, daß ich „in meiner Mitte“, geduldig, verständnisvoll, kreativ, unvoreingenommen, fair oder empathisch bin (in diesem Moment)
(c) sie ist unglaublich stärkend für die Kinder (ich komme nicht in die Richterrolle, sondern die Kinder können sich selber zuhören und ihre eigenen Lösungen entwickeln, die erstaunlich verrückt, brillant und offensichtlich zufriedenstellend für sie sind)
(d) sie scheint eher wieder Harmonie zwischen den Kindern herzustellen, anstatt eins oder mehrere von ihnen mit Enttäuschung oder Groll zurückzulassen.

Zuletzt eine Einschränkung: Ich halte die Methode dann nicht für wirksam, wenn das Hauptproblem ist, daß eine oder mehrere Parteien Hunger haben oder müde sind – oder die Mehrheit von ihnen eine größere Abwechslung in der Aktivität braucht (von ruhigem Spielen drinnen zu draußen Herumtoben).


DIE DREI SCHRITTE EINES MICRO-CIRCLES


1.    EINEN RAUM SCHAFFEN
                                                                                                  
Nimm einen tiefen, beruhigenden Atemzug und unterbrich den Disput so früh wie möglich in seinem Verlauf, wenn du glaubst, es eskaliert. Schaffe einen physischen oder emotionalen Raum zwischen ihnen, wenn nötig.

2.    GEGENSEITIGES VERSTÄNDNIS

In dieser Phase wechseln sich die Kinder damit ab, dem anderen das mitzuteilen, was der andere wissen soll, während der andere sein Verständnis der Botschaft WIEDERGIBT.

Dein Handwerkszeug für diese Phase ist einfach:

„Was soll X von dir wissen?“ „Was hast du Y sagen hören?“ „Ist es das?“


Dann, exakt diesselben Fragen mit dem vorherigen Sprecher als Zuhörer und dem vorherigen Zuhörer als Sprecher. Wenn der als erster eingeladene Zuhörer sagt, er möchte nicht wiedergeben, kein Problem. Bitte ihn zu sprechen und den anderen zuzuhören. Nachdem sie sich gehört fühlen, sind sie eher in der Lage zuzuhören.

3.    HANDLUNGSPLAN

Wenn einmal beide Kinder gesagt haben, daß sie sich verstanden fühlen, überläßt du IHNEN das Problemlösen, während du dich zurücklehnst und genießt.

Dein Werkzeug für diese Phase ist einfach:

„Hat irgendjemand eine Idee, wie die Situation gelöst werden kann?“  „Geht das so für dich?“

Um zu demonstrieren, wie das im wirklichen Leben aussehen könnte, hier zwei Mitschriften von echten micro-circles, die ich kürzlich begleitet habe. Wie du sehen wirst, müssen die Kinder nicht Geschwister sein -  aber es ist hilfreich, wenn sie (und ihre Erziehungsberechtigten) dich kennen und dir vertrauen.

BEISPIEL EINS: CAMPINGAUSFLUG (Aaron: 8; Rachel: 3,5; Zach: 6,5)

Rachel: „Mama! Aaron und Zach lassen mich nicht mitspielen!“

Ich: „Aaron, kannst mal herkommen, bitte? Danke. Rachel, was soll dein Bruder wissen?“

Rachel: „Ich möchte mit Euch Jungs spielen!“

Ich: „Aaron, was hast du deine Schwester sagen hören?“

Aaron, augenrollend, seine Stimme klingt verärgert, „sie will mit uns spielen. Aber...“

Ich, sanft unterbrechend: „Warte, nur eine Minute. Rachel, ist es das? Ist das das, was du deinen Bruder wissen lassen willst?“

Rachel: „Ja!“ [das vervollständigt eine Runde – nun gucken wir zum anderen Kind]

Ich: „Ok, Aaron, was soll deine Schwester wissen?“

Aaron: „Ich möchte nicht, daß sie jetzt mit uns spielt. Ich will bißchen ungestört sein. Nicht ungestört, aber so..., Zach und ich hatten den ganzen Tag noch keine Chance, daß wir mit uns spielen. Ich möchte ein bißchen nur mit ihm spielen.“

Ich: „Rachel, was hast du deinen Bruder sagen hören?“

Rachel, klingt ein bißchen eingeschnappt und unglücklich: „Er will seine Ruhe haben. Er will mit Zach alleine spielen.“

Ich: „Aaron, ist es das?“

Aaron: „Ja.“ [das beendet Runde 2 – jetzt gehen wir wieder zum ersten Kind]

Ich: „Rachel, gibt es noch etwas, was dein Bruder wissen soll?“

Rachel: „Nein.“

Ich: „Aaron, gibt es noch etwas, was Rachel wissen soll?“

Aaron: „Nein.“ [das vollendet Gegenseitiges Verständnis. Jetzt zum Handlungsplan]
Ich: „Ok, danke. So, hat jetzt irgendjemand Ideen, wie die Situation gelöst werden könnte?“

Rachel: „NEIN“

Aaron: „Gut, sie kann mit uns spielen, wenn sie keine Fragen stellt. Über das Spiel oder was wir machen.“

Ich bin ziemlich verblüfft, aber so fühle ich mich oft in dieser Phase: „Rachel,  dein Bruder sagt, es ist ok, wenn du mit ihm und Zach spielst, wenn du keine Fragen über das Spiel stellst. Geht das für dich?“

Rachel, klingt ganz zufrieden: „Ja.“

Ich: „Ok, toll. Danke Euch.“

Die drei Kinder spielen dann erfolgreich zusammen für eine Stunde. Aaron berichtet später, daß es „ok“ war und Rachel nur eine kleine Frage stellte.

BEISPIEL ZWEI: LEGO (Rachel: 3,5; Isaiah: 3,5)

Wir sind bei Isaiah zu Hause und er hat nie an so einem Prozeß teilgenommen oder zugeguckt.

Rachel: „Gib mir auch welche. Ich will welche haben.“

Isaiah: „Nein, hör auf!“

Isaiahs Mama: „Hey Kinder. Es gibt keinen Grund zu kämpfen. Wir haben genug Lego.“

Sie steht auf , holt einen anderen Legobehälter und gibt ihn Rachel.

Rachel: „Nein, ich will DIESES Lego!“

Isaiahs Mama: „Isaiah, kannst du dein Lego mit Rachel teilen? Oder ein paar aus dieser Box nehmen?“

Isaiah: „Nein, ich will dieses. Ich hatte die!“

Rachel beginnt ihr Gesicht zu verziehen und zu weinen.

Ich frage vorsichtig: „Habt ihr was dagegen, wenn ich etwas anderes probiere?“

Isaiahs Mama: „Nein, nur zu!“

Ich: „Kinder, wartet eine Sekunde. Ich möchte versuchen euch zu helfen...
[nachdem ich ihre Aufmerksamkeit bekomme und Ruhe ist] Rachel, was soll Isaiah wissen?“

Rachel: „Ich will mit diesem Lego spielen! Aus dieser Kiste!“

Ich: „Isaiah, was hast du Rachel sagen hören?“

Isaiah: „Blödi bla bla”

Ich: „Rachel, ist es das? Soll Isaiah das hören?

Rachel, leicht amüsiert: „Nein, ich will sein Lego.“

Ich: „Isaiah, was hast du Rachel jetzt sagen hören?“

Isaiah: „Sie will das Lego. Und das ganze bla bla Zeug, das will ich nicht hören.“

Ich: „Rachel, ist es das?“

Rachel: „Ja.“ [das beendet die erste Runde – nun gehen wir zum anderen Kind]

Ich: „Ok, Isaiah, was soll Rachel wissen?“

Isaiah: „Ich will nicht, daß sie das Lego hat. Ich spiele damit.“

Ich: „Rachel, was hast du Isaiah sagen hören?“

Rachel, traurig, „Er will nicht teilen.“

Ich: „Isaiah, ist es das? Soll Rachel das hören?

Isaiah: „JA!“ [das beendet die zweite Runde, jetzt wieder zum anderen Kind]

Ich: „Rachel, gibt es noch etwas, was Isaiah wissen soll?“

Rachel: „Ich bin frustriert und ärgerlich.“

Ich: „ Isaiah, was hast du Rachel sagen hören?“

Isaiah: „Sie ist frustriert und bla bla.“

Ich: „Rachel, ist es das?

Rachel: „Ja!“ [das vollendet die dritte Runde; jetzt gehen wir zum anderen Kind]
[Nachdem beide Kinder gesagt haben, daß es nichts weiter mitzuteilen gibt, gehen wir zum Handlungsplan]

Ich: „Danke euch beiden. So, hat jetzt irgendjemand Ideen, wie die Situation gelöst werden könnte?“

Rachel: „NEIN“

Isaiah: „Ja. Wir nehmen das Aquarium, kippen es aus und überschwemmen den Fußboden!“

Ich: „Rachel, geht das für dich? Wird den-Boden-überschwemmen helfen deine Situation zu lösen?“

Rachel, lächelt ein bißchen, „NEIIIN.“ [Übrigens, die Ideen sollen für alle funktionieren, also kann jeder intervenieren und sagen, daß ein bestimmter Vorschlag nicht funktioniert, auch die Mütter! Manchmal hören andere Kinder zu und kommen mit Ideen. Ich nehme die einfach und frage „Geht das für jeden?“]

Ich: „Ok, hat irgendjemand irgendeine andere Idee, die hilft die Situation zu lösen?“

Isaiah nimmt ohne etwas zu sagen sein Legogebilde, das er gerade gebaut hat, bricht es entzwei, gibt Rachel eine Hälfte, greift in ihre Kiste, nimmt sich daraus einiges an Lego für sich und setzt sich hin und guckt zufrieden. Rachel sieht sehr glücklich aus.

Ich, verblüfft, wie üblich: „Ok. Geht das so für jeden?“

Beide Kinder: „Ja.“

Danach scheinen die Kinder eine totale Veränderung zu erleben, wie sie miteinander umgehen. Sie beginnen zusammen zu spielen, Legosteine hin- und her zu tauschen. Plötzlich springt Rachel zu Isaiah rüber und streichelt seine Haare. So spielen sie fröhlich zusammen für weitere 20 Minuten.

Was tun, wenn es nicht funktioniert?


Obwohl dieses einfache Gerüst in den meisten Fällen effektiv funktioniert, haben die Kinder manchmal genug zusammen gespielt, brauchen Schlaf oder Essen oder einen kompletten Umgebungswechsel. Manchmal hat ein Kind noch etwas, womit es noch nicht gehört wurde, dann kannst du noch eine Runde „Gegenseitiges Verständnis“ versuchen. Oder nicht.

Wenn es nicht klappt, oder trotzdem eskaliert, kannst du immer auf  deine anderen bewährten und richtigen Strategien zurückgreifen – im Idealfall, ohne jemanden dafür zu „beschuldigen“, einfach weitermachen.

Möglicherweise klappt es beim nächsten Mal besser.

Die Kinder finden schnell heraus, daß dieser Weg alle mehr zufrieden macht und ihr Selbstbewußtsein stärkt.

-------------
Note from author: I would love to hear your comments but can only respond to the English ones at this time.
------------
Fall 2011: Restorative Circles learning event in my town of Urbana-Champaign, Illinois: October 12-16, 2011 

Want to chat about conflict and kids in person while learning Restorative Circles (RC) from Dominic Barter, RC co-creator? Read more below...

Dominic Barter, co-creator of Restorative Circles (RC), will be offering the only 2011 North American RC learning opportunity right where I live (along with his team and other RC folks). Click on links below to register and let me know you saw it here so we can connect at the event!

One Day RC Overview Registration

Four Day RC Facilitation Practice Registration

10 comments:

  1. It’s really a nice and helpful piece of information. I’m glad that you shared this helpful info with us. Please keep us informed like this. Thanks for sharing.

    cheap clomid

    ReplyDelete
  2. Thank you very much for sharing your knowledge and experiences! I work as a teacher in Germany and I always am happy to get instruments how to give satisfying solutions into the many conflicts pupils have. I will try out. Thank you, I will continue to read about you. Matthias

    ReplyDelete